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  • AutorenbildLady Addison

Der gute Sklave | Über die Komplexität von D/s-Beziehungen

In letzter Zeit wurde ich oft mit dem Thema konfrontiert, was überhaupt ein echter oder ein guter Sklave sein soll. «Ein Mann, der im Keller seiner Herrin angekettet von Brot und Wasser lebt und den ganzen Tag für sie arbeitet.» Es gibt tatsächlich Männer, die sich so ihr ideales Sklavenleben vorstellen – aber im Ernst: Mir ist aufgefallen, dass die Ansichten darüber, was überhaupt ein Sklave im BDSM-Kontext ist, sehr unterschiedlich sind. Ein Grund für einen Blog-Artikel zu diesem interessanten Thema; natürlich wie immer persönlich eingefärbt in meiner Lieblingsfarbe Schwarz.


Begriffe im BDSM-Kontext Es gibt Menschen in der BDSM-Community, die an allgemeingültige BDSM-Regeln glauben: Der Ring der O wird an der richtigen Hand getragen. Der Unterschied zwischen Sub und Sklave ist klar definiert. Eine Domina ist eine professionelle Herrin, eine private Herrin heißt nicht Domina. Es gibt eindeutige Begrüßungsrituale, Sklaven-Positionen, «Dos & Don’ts». Jeder weiß, was man darf und was nicht. Ich bin immer noch auf der Suche nach dieser ominösen BDSM-Bibel, die sakrosankt als Leitfaden dient. Bis heute habe ich sie nicht gefunden – nun ja, vielleicht habe ich nicht wirklich intensiv genug danach gesucht. Denn als Domina, Mistress, Herrin, Top, Femme Fatale, starke Frau tendiere ich natürlich dazu, meine eigenen Regeln zu machen, an die sich meine «Untergebenen» halten müssen. Umso mehr ist es – vor allem bei einem Erstkontakt – spannend, welche Vorstellungen und Selbstdefinitionen in den Köpfen von Bewerbern herumgeistern. Ich möchte hier ein paar Beispiele zitieren. «Ich bin kein Sklave. Das reduziert mich zu sehr. Ich trage meine Partnerin auf Händen und lese ihr jeden Wunsch von den Augen ab, stelle meine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Aber ich bin ganz sicher kein Sklave.»


«Ein Sklave muss natürlich in erster Linie keusch sein und die Kontrolle über seine Sexualität und sein Leben komplett seiner Herrin abgeben, inklusive der Finanzen.»


«Ein Sklave hat nie ausgelernt. Er wird nie angekommen sein, sondern er lernt jeden Tag neu, um seiner Herrin zu dienen und zu gefallen. Er muss geduldig sein und darf keine Wünsche äußern.»


«Ich bin ein schlechter Sklave. Ich habe es nicht geschafft, meine Herrin jeden Tag glücklich zu machen, weil ich nicht perfekt bin. Ich habe versagt.»



Professionelle Herrin oder Lifestyle-Herrin?

Vielleicht muss ich dazu als professionelle Domina noch etwas ausholen. Ich bin sowohl beruflich als auch privat dominant. Ich kenne also beide Seiten. Meine Session-Sklaven sind nicht alle exklusiv bei mir. Einige dienen verschiedenen Damen leidenschaftlich während eines begrenzten Zeitrahmens. Und auch das ist wunderbar. Einige meiner Session-Sklaven sind loyal und haben nur eine Herrin: Lady Addison. Einige Subs, die bei mir Sessions buchen, sind nicht devot und würden sich nie als Sklaven bezeichnen. Hypnose-Fans fühlen sich oft auch nicht als Sklaven, stellen sich aber unter meine Führung und meine Kontrolle.


Sogenannte Spielbeziehungen, die zeitlich begrenzt sind, haben natürlich ihren Reiz, decken sie doch das breite Spektrum der Interessen einer Dame wie mir ab. Um alles übersichtlicher zu halten, möchte ich nicht zu tief ins Thema «professionelle oder private Herrin» abtauchen. Denn zumindest für mich gibt es nicht allzu große Unterschiede. Auch Begriffe wie Sklave, Sub, Pet, Fetisch-Partner sind letztendlich müßig, eindeutig zu definieren, sind doch die Grenzen fließend. Ich möchte hier der Einfachheit halber von «Sklave» und «Herrin» sprechen und meine damit eine «D/s-Beziehung, bei der ein Mann mir exklusiv dient».


Das Kopfkino und der liebe Alltag

Wir leben nun einmal in einer materiellen Welt. Am Monatsende müssen Rechnungen bezahlt werden. Daher müssen die meisten von uns arbeiten und Geld verdienen. Ein Fantasie-Sklavenleben, das nur darin besteht, den ganzen Tagesablauf nach der Herrin zu richten, ist somit für die große Mehrheit nicht umsetzbar. Als Herrin muss ich meine Sklaven quasi mit dem Arbeitgeber teilen. Manchmal mit einer Ehefrau. Auch familiäre Verpflichtungen gehören zu den Dingen, die einen Sklaven daran hindern, seine ganze Lebenszeit seiner Herrin zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich gibt es also die «höhere Macht», die das Leben eines Sklaven mehr dominiert als eine Herrin es je könnte. Ob man das gut findet oder nicht – es ist nun mal so.


Der ideale Sklave

Ich habe recherchiert, einige Sklaven – eigene und «fremde» - befragt, mich mit anderen Damen unterhalten und ich muss schlussendlich sagen, dass es DEN idealen Sklaven gar nicht gibt. Während sich die eine Herrin einen devoten Diener mit Koch- und Putzfähigkeiten wünscht, möchte eine andere Herrin ein keusches Spielobjekt, einen Masochisten oder ein schlankes Bondage-Bunny und wieder eine andere einen potenten Sklaven für finanzielle oder sexuelle Dienste. Natürlich gibt es auch Ehe-Sklaven, die im Rahmen einer privaten Partnerschaft dienen. Selten bzw. nie kann jedoch ein einzelner Sklave alle Bedürfnisse einer dominanten Dame abdecken, aus diesem Grund hat sie in der Regel mehrere Sklaven. Was genau das Einsatzgebiet eines jeden Sklaven umfasst, bestimmt die Herrin. In den meisten Fällen hat sie für ihre individuellen Bedürfnisse verschiedene Sklaven, so ist es auch bei mir. Ein Online-Sklave kann zum Beispiel nicht dieselben Dienste leisten wie jemand, der um die Ecke wohnt. Der einzige gemeinsame Nenner, den ich persönlich finden konnte:


Der ideale Sklave hat eine natürliche Veranlagung, einer dominanten Dame zu dienen. Er stellt die eigenen Wünsche zurück und übergibt sich vertrauensvoll in die Hände seiner Auserwählten. Er lässt sich fallen und vertraut komplett ihrer Führung. Die Wünsche und das Wohlergehen der Herrin stehen an oberster Stelle. Auch wenn er an sich selbst zweifelt, verlässt er niemals seinen Weg des konstanten und geduldigen Lernens. Die Herrin mit seinen Diensten – wie auch immer diese von der Herrin definiert wurden – glücklich zu machen, macht ihn glücklich. Von ihr gelenkt und geführt zu werden, ist sein Privileg, sein Lebenszweck.


Eine echte, tiefe D/s-Beziehung endet nie; außer die Herrin entlässt ihren Sklaven – wegen mehrfachen Ungehorsams, Vertrauensbruch oder weil sie erkennt, dass das Zeitfenster der gemeinsamen Entwicklung geschlossen wurde. Sexuelle Anziehung und Erregung darf ein Sklave verspüren, sie sollte jedoch nicht die Basis seines Willens zum Dienen sein.


Die Dynamik einer D/s-Beziehung

Nichts bleibt wie es ist. Alles ändert sich. Nach der anfänglichen Phase der Begeisterung tritt – wie nach der ersten Phase der Verliebtheit – die Ernüchterungsphase ein. Sowohl die Herrin als auch der Sklave entdecken, dass die D/s-Beziehung nicht perfekt ist. Wie sollte sie auch? Keine Beziehung zwischen zwei Menschen kann konstant glücklich und perfekt sein. Es entwickelt sich eine Dynamik. Die Herrin entdeckt immer mehr Eigenheiten des Sklaven, die ihr missfallen. Zum Beispiel ist er nicht so lernfähig wie gedacht oder er gibt sich zu wenig Mühe in seiner Ausbildung, vielleicht versucht er sogar ein «Topping from the Bottom». Vielleicht hat er anfangs zu viel versprochen, was er gar nicht halten kann. Vielleicht ist er nervig, weil er stets nach Aufmerksamkeit sucht und die Zeit der Herrin zu stark beansprucht.


Aber auch der Sklave erkennt vielleicht, dass seine Herrin nicht perfekt ist und nicht all seinen Fantasien entspricht, die er am Anfang von ihr hatte. Nicht mehr JEDE persönliche Begegnung ist so schön wie am Anfang, Enttäuschung (Ent-Täuschung) macht sich breit. Oder die Herrin erscheint als so erhaben und überlegen gegenüber dem Sklaven, dass er den Gedanken nicht ertragen kann, sie zu verlieren. Infolgedessen überfordert er sich bei seinen Diensten, um der Herrin zu gefallen, was letztendlich nur in einem Fiasko enden kann. Er zieht sich aus Versagensangst und Verlustangst von selbst zurück, ohne der Führung seiner Herrin zu vertrauen.


Sehr oft scheitern D/s-Beziehungen – wie auch Vanilla-Paarbeziehungen – daran, dass man vom Partner erwartet, er müsse einen permanent glücklich machen. Bei BDSM-Beziehungen kommt irgendwann immer auch die sexuelle Komponente dazu. Der Sklave erwartet, wenn auch manchmal unbewusst, dass die Herrin seine Fetische und sexuellen Interessen befriedigt. Er möchte vielleicht einfach keusch gehalten werden, oder er möchte als Leck- und Sex-Sklave dienen, er möchte dauergeil und dauererregt sein. Wenn der Sklave das nicht bzw. nicht genug von seiner Herrin bekommt, zieht er weiter und spult das gleiche Programm bei der nächsten Herrin ab.


Der Vorteil der Herrin in diesem Szenario ist es, dass sie in ihrer Überlegenheit erkennt – oder zumindest erkennen sollte -, wo der Sklave festklemmt, welche Schatten er hat und wie sie ihn zu erziehen hat. Sie kann Erwartungen identifizieren und Überforderungen thematisieren. Sie kann aber keinen Sklaven daran hindern, sich selbst zu überfordern. Das Gedankenkarussell, das oft automatisch und von alten Mustern geprägt in Gang gesetzt wird, lässt sich nicht aufhalten.


Der Sklave fängt an, eine Eigendynamik zu entwickeln und kapselt sich von der Führung seiner Herrin ab, weil er denkt, besser zu wissen, was er zu tun hat, um ihr zu gefallen. Oder er fängt an, sich in seiner eigenen Unzulänglichkeit zu suhlen. Unweigerlich folgt darauf die Kapitulation des Sklaven. Er bittet um Entlassung.


Natürlich gibt es auch Herrinnen, die für spezifische D/s-Beziehungen nicht den nötigen Weitblick haben oder die emotional zu involviert und zu verwirrt sind, um rechtzeitig weise Entscheidungen zu treffen. Man trennt sich und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Irgendwann, wenn seitens des Sklaven die Wunden genügend lange geleckt wurden, wenn seitens der Herrin der Stolz abgestreift wurde, gibt es vielleicht eine Chance auf eine Wiedervereinigung. Doch selbst wenn – das Geschehene schwingt oft noch über eine längere Zeit mit. Eine Trennung im Schlechten oder aus Überforderung ist quasi das Worst-Case-Szenario, es passiert aber relativ häufig. Wie könnte das vermieden werden?


Sind D/s-Beziehungen zum Scheitern verurteilt?

Viel stärker als in traditionellen Paar-Beziehungen zeigt eine D/s-Beziehung auf, dass es oft um eigene Bedürfnisse und Wünsche geht, die man mit Verehrung und Liebe verwechselt: die bekannte Projektion. Sklaven bekommen von ihrer Herrin anfänglich das, was sie sich immer gewünscht haben. Deswegen haben sie sich genau diese Herrin ausgesucht. Sie sieht so wunderschön aus, sie hat so viel Stil. Sie ist so sexy, intelligent, erhaben, eloquent. Der Sklave möchte ihr am liebsten 24/7 dienen und ihre wunderbare Energie aufsaugen wie ein Schwamm. Doch bald macht der Alltag die Dinge schwierig und das Zuckerpapier fällt ab. Der Arbeitgeber, die räumliche Distanz, die eigene Familie, das Budget oder andere äußere Umstände lassen einen häufigen Kontakt nicht zu. SIE hat einmal einen schlechten Tag und verhält sich unwirsch, entspricht in ihrem Verhalten nicht seinen Vorstellungen. Der Sklave beginnt zu zweifeln, ob SIE die richtige Herrin ist oder ob ER ein richtiger Sklave ist.


Ich habe die verschiedenen Phasen einer D/s-Beziehung aufgeteilt, die so oder so ähnlich in den meisten Fällen ablaufen; selbst wenn nicht jede Phase bei jeder Beziehung die gleiche Gewichtung bekommt. 1. Begeisterung oder Verliebtheit

Alles scheint perfekt. Man hat endlich das Gegenüber gefunden, das man sich so lange gewünscht hat. Glückshormone strömen im Überfluss. Man schwebt auf Wolke 7. Der Alltag ist geprägt von Freude und Erregung.

2. Ernüchterung Die anfängliche Begeisterung schlägt auf dem harten Boden der Realität auf. Der Sklave erkennt, dass die Herrin nicht alle seine Wünsche erfüllen will oder kann. Oder er erkennt, dass er selbst viele Unzulänglichkeiten hat und zweifelt, ob er jemals ein «guter Sklave» sein kann.


3. Kampf Der Sklave spricht mit seiner Angebeteten oder er macht, im schlechteren Fall, vieles in seinem Kopf mit sich selbst aus. Die Herrin versucht, manchmal erfolglos, ihren Sklaven an seine Aufgabe zu erinnern. Auch eine Herrin zweifelt vielleicht an ihrem Sklaven; jedoch kann, darf und soll sie ihn so formen, wie es ihren Wünschen entspricht. 4. Resignation Aus Ernüchterung wird Resignation. Es scheint keine Lösung zu geben. Der Sklave sieht seine Herrin nicht mehr als perfekte oder als SEINE Herrscherin. Entweder weil er sich selbst überfordert hat und emotional, körperlich oder finanziell am Ende ist oder weil die Dame keine Kraft mehr hat, ihren Sklaven ständig aufzufangen.


5. Reflektion Nach einer Zeit mit getrennten Wegen oder - im Idealfall – gemeinsam mit seiner Herrin entdeckt der Sklave, dass jede D/s-Beziehung gewissen Dynamiken unterliegt und der Weg das Ziel ist. Es mag eine überraschende Erkenntnis sein. Doch er kann seine Herrin nicht immer glücklich machen, selbst wenn er das anfangs gedacht hat. Und seine Herrin ist keine Erfüllungsgehilfin für seine Fetische.


6. Genuss

Der Sklave hat erkannt, dass seine einzige Aufgabe darin besteht, die Wünsche seiner Herrin vor seine zu stellen. Es macht ihn glücklich, seine Herrin zu erfreuen – wohl wissend, dass er niemals perfekt sein kann. Er vertraut darauf, dass ihn seine Herrin so formt, wie sie es möchte und dass das Loslassen von eigenen Ansprüchen und das geduldige Lernen zum Genuss in einer D/s-Beziehung führt.


Schlussfolgerung Eine D/s-Beziehung ist niemals von Anfang an in Stein gemeißelt. Äußere Umstände aber auch die eigene Entwicklung tragen dazu bei, dass sich Beziehungen verändern. Was ist ein guter Sklave? Generell kann man das sicher nicht sagen (oder es wäre ein Fall für die ominöse BDSM-Bibel). Für mich persönlich ist ein guter Sklave vor allem treu und loyal. Er vertraut meiner Führung – auch wenn er manchmal kein Licht am Ende des Tunnels sieht (nein, es sind keine Tunnelspiele gemeint). Er stellt meine Wünsche und Bedürfnisse in den Vordergrund und bekommt dabei – auf wundersame Weise – viel mehr zurück als er sich jemals vorstellen konnte. Er hat die nötige Sensibilität um zu erkennen, wann er sich zurückhaltend verhalten soll und wann proaktives Verhalten gefragt ist. Er lernt stetig, was ich mag und was nicht, damit ich ihm nicht ständig dasselbe sagen muss. So macht er sich letztendlich unentbehrlich für mich. Anstatt langweilig zu werden – wie einige befürchten – wird er zum Vertrauten der so wertvoll ist, dass er wie von selbst einen festen Platz im Zeitplan der Herrin bekommt.









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